Das Erbe der Deutschen liegt in Trümmern
Das große Barockschloss in Virovitica: weithin sichtbarer, mit frischen Graffiti-Tags verzierter Anziehungspunkt einer Kreisstadt, dessen einst großzügiger Park zugunsten eines Freibads stark rasiert wurde.
Im ersten Stock friert die Leiterin des städtischen Museums zwischen Elchknochen, Urkunden und historischen Stichen vor sich hin. Sie freut sich auf ihre einzigen Besucher und entschuldigt sich für ihr Englisch: Wir haben hier nicht viel Gelegenheit zu üben.
Das grandiose Schloss in Nasice, mehr als 200 Jahre lang im Besitz derer von Pejacevic: in frischen Gelbtönen herausgeputzter Prachtbau des Spätbarock, der im Zweiten Weltkrieg auch mal Quartier deutschen Wehrmacht war. Nun steht an diesem Samstag die ratlose Ladung eines Touristenbusses davor: Der Zugang ins Innere ist nur unter der Woche möglich. Man wird sich also mit dem weitläufigen Park, seinen exotischen Bäumen und dem weiter westlich gelegenen kleinen Schloss begnügen müssen.
Slawonien nimmt seine einstigen Prachtbauten allenfalls in Kauf. Nur die Hälfte der 60 Schlösser sind nach einer Untersuchung aus den 1990ern in passablem Zustand. Finanzielle Mittel und Engagement sind selten vorhanden, und spätestens in Osijek kommt noch ein anderer Faktor hinzu: der zerstörerische Vaterländische Krieg.
Was haben wir hier schon Filme gesehen... Und nun ist das ist endlich wieder fertig geworden. Aufrichtig ergriffen steht Ivan, unser Führer, vor dem renovierten Gebäude des Urania-Kinos in Osijek. Nicht, dass der schöne Sezessions-Bau im Zentrum der Oberstadt (Gornji Grad) völlig neu rekonstruiert und die Vorführungen eingestellt werden mussten. Aber die Granatsplitter saßen bis vor kurzem als hässliche Narben in der Fassade. So oder ähnlich ging es auch den anmutigen Jugendstilvillen an der nahen Europska Avenija, der Hauptpost und vor allem den historischen Bauten in der Tvrda, der Festungsstadt. Neun Monate Beschuss durch die Tschetniks und die serbische Armee haben eben Spuren hinterlassen.
(30 Kilometer weiter zur serbischen Grenze, in Vukovar, werden wir tags darauf das durchlöcherte Barockschloss des deutschen Grafen Eitz besichtigen, das mühsam restauriert wird.)
Osijek hieß Esseg, als die österreichische Armee hier die Slawonische Grenze zum Osten zog. Es hieß aber auch Esseg, weil deutschsprachige Künstler, Architekten und Literaten die sehr aktive Kulturszene prägten - darunter der Schriftsteller-Bohemien Alexander Rosenfeld alias Roda Roda (seine Büste steht im Vorgarten der Stadtbibliothek). Inzwischen erinnert allenfalls noch das Cafe Waldinger an die multikulturelle Kaffeehaus-Atmosphäre vergangener Tage. Die 600 Mitglieder starke Volksdeutsche Gemeinschaft fährt heute ein ausgesprochenes Minderheiten-Programm.
Kroatiens viertgrößte Stadt ist kein Schmelztiegel mehr, aber auch nicht mehr Festung für Soldaten. Wo einst Militär durch die Tvrda paradierte, tummeln sich heute um den Dreifaltigkeitsplatz die Studenten. Auf dem Areal der alten Kasernen werden Ausstellungsflächen und Workshop-Räume für Künstler entstehen, erklärt Ivan. Vielleicht wird Osijek dann wieder etwas Flair haben, und heile Fassaden. „Aber das geht nur langsam, versteht ihr: Stück für Stück.
- Kommentare und feedback
-
Keine Kommentare im Forum, kannst du die erste Person ab sein.